Bekomm Deinen Hund in den Griff!
Bei den vielen Seminaren, die ich bis jetzt halten durfte 🙏 erzählen mir die Menschen immer wieder aus ihrem Leben mit einem „MDR1 Hund“. Für Besitzer, die nicht wissen, wie sich der Gendefekt auf die Stressanfälligkeit ihres Hundes auswirken kann, stellen vor allem Hundebegegnungen oft eine grosse Herausforderung dar 🥵 Dies nicht zuletzt auch darum, weil sich die anderen Hundehalter genötigt fühlen, sich verbal in eine sonst schon schwierige Situation einzubringen. Mit deplatzierten Aussagen wie „Ihr Hund ist aber aggressiv“, „versuchen Sie es mal mit Erziehung“, „Sie sind ja mit Ihrem Hund völlig überfordert“, „bekommen Sie Ihren Hund nicht in den Griff?“ degradieren sich diese Menschen nicht nur selber, sondern verunsichern möglicherweise Halter von MDR1 Hunden. Diese suchen dann den Grund des Gedöns an der Leine bei ihnen selbst und denken, sie machen etwas falsch. Während meiner Präsentation kommen dann ganz viele erstaunte Aha’s zum Vorschein, wenn diese Besitzer verstehen, dass die Ursache dieser Aufregung in einer ganz anderen Ecke zu finden ist. Oft kommt „ja, jetzt ist mir einiges klar“ und viele Verhaltensauffälligkeiten machen plötzlich Sinn.
Hundebegegnungen haben per se schon viel Konfliktpotential. Kreuzen sich zwei Mensch-Hunde Teams, so findet eine sechsfache Kommunikation statt, theoretisch jedenfalls:
🐕 1 – 🐕 2
🚶🏻♀️ 1 – 🐕 2
🚶🏻♀️ 1 – 🚶🏻♀️ 2
🐕 1 – 🚶🏻♀️ 2
🐕 1 – 🚶🏻♀️ 1
🐕 2 – 🚶🏻♀️ 2
Und – Hand aufs Herz – wen seht ihr bei einer Hundebegegnung an? Wenn ich solche Szenen beobachte, so schauen sich meistens die Besitzer an, grüssen sich, man will ja nicht unhöflich erscheinen. Die wenigsten haben den entgegenkommenden Hund auf dem Radar und noch weniger den eigenen Vierbeiner. Dabei ist es genau diese Ebene, die die meiste Aufmerksamkeit erfordert. Aktion – Reaktion. Die körpersprachliche Kommunikation findet sehr subtil statt, weshalb heute eine Begegnung gut verläuft und morgen ist eine andere ein völliger Albtraum. Stressanfälligere Hunde agieren oder reagieren nochmals eine Spur schneller und heftiger auf körpersprachliche Ansagen anderer Individuen.
Bei Hundebegegnungen liegt mein Fokus immer abwechselnd auf dem entgegenkommenden und meinem Vierbeiner 🐕🦺 Das mag zwar gegenüber dem Besitzer etwas asozial erscheinen, für mich ist es allerdings essenziell. Ich muss wissen, ob Dr Jekyll oder Mr Hyde 😱 am anderen Ende meiner Leine auftaucht. Was sagt der entgegenkommende Hund, wie zeigt er sich, schaut er, fixiert er, was macht das Fell, welche Laune, welche Energie bringt er mit?
Vor allem mit dem Fixieren durch andere Hunde kommt Hobbit nicht klar. Da gehen bei ihm alle Haarwurzelmuskeln in die Offensive, er wird proportional zur Breite kürzer und erinnert an eine explodierte WC-Bürste. Er schiebt jedesmal eine ausgewachsene Krise, die in der Aussage ‚verschwinde aus dem Universum und komm nie wieder‘ gipfelt. Und dies in gefühlten 110 Dezibel. Ja, auch ich hörte bei einem solchen Schauspiel schon vom Besitzer eines Spielzeug tragenden (=Ressource!), fixierenden Malinois den Spruch „Ihr Hund ist aber aggressiv“. Ich erklärte damals dem Mann geduldig, dass ER den Unruhestifter an der Leine hat und mein Vierbeiner nur darauf reagiert – zugegeben etwas heftig, aber Hobbit kann einfach nicht anders. Während dem Gespräch kristallisierte sich dann heraus, dass dem Mann scheinbar ganz oft ‚aggressive‘ Hunde begegnen (wie kommt’s) 🤦🏻♀️….
Der Alltag mit einem vom MDR1 Gendefekt betroffenen Hund bringt uns manchmal an unsere Grenzen. Wir müssen uns ein dickes Fell zulegen, immun werden gegen die unqualifizierten Bemerkungen von Tutnix-Haltern. Ich gönne jedem einen sozialverträglichen, unauffälligen, mit allen klar kommenden Vierbeiner – doch mögen sich diese Besitzer doch bitte 🙏🏻 aus Situationen heraushalten, die ihren verhaltensbiologischen Horziont übersteigen.
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